Im Heimatbuch "Landkreis Straubing-Bogen", 1984, adelte der Musikwissenschaftler Dr. August Scharnagl, Freiherrn von Poißl - , geb. am 15. Februar 1783 auf Schloss Haunkenzell, gest. am 17. August 1865 in München mit: "Der hervorragendste Komponist aus dem Landkreis", noch vor J. B. Schiedermayr (1779-1840) aus Pfaffmünster! Mehr oder minder durch Zufall fand der Verfasser dieses Beitrags in IMSLP die Partitur einer der 13 Opern - eben 'Die Prinzessin von Provence' - dieses 1825 zum Theaterdirektor in München ernannten überaus fleißigen Kompositeurs. Mit dem Notensatzprogramm Finale 27.2 konnte aus dieser Partitur die Noten des Eingangschores "Freundlich steigt die Morgensonne" anschau- und anhörbar gemacht werden.


Prinzessin von Provence Eingangschor KopieDieser Screenshot aus der Partitur soll die instrumentale Besetzung des Eingangschores zeigen. Übertragen nach Finale mit alten Schlüsseln sieht das so aus:

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Allerdings wirklich faszinierend ist es, diese Musik - ungehört seit wohl mehr als 150 Jahren - zum Klingen zu bringen, wenn auch mit digitalen Klangbibliotheken. Den Text kann man ja selber dazu lesen:

"Freundlich steigt die Morgen-Sonne aus des Meeres Schoß empor.  / Heute ist ein Tag der Wonne, feyert ihn im Jubelchor.
Dieser Tag begann ihr Leben, er hat sie zu uns geführt. / Laßt uns ihn zu feyern streben, wie es solchem Tag gebührt.
Laßt uns streben ihn zu feyern, wie es solchem Tag gebührt, / wie es solchem Tag gebührt."

Übrigens, neben der Partiturquelle bei IMSLP gibt es historisches Aufführungsmaterial der Bayerischen Staatsoper von 1825 mit einem Directions= und Regiebuch mit Bühnenskizzen:

Buhnenbild

schloss haunkenzell 580aus Meinhard in wetter-eggerszell.de:

  • Der junge Poißl besuchte das Straubinger Gymnasium. Einstiger Studienrat Alfons Huber aus Straubing konnte in den alten Matrikeln des humanistischen Gymnasiums noch einen Eintrag über ihn aus dem Jahre 1799 ausfindig machen. In diesem Jahr schloss Poißl die Schule mit dem Abitur ab. Schon hier zeigten sich seine späteren Talente. Er wird in dem Eintrag als „sehr fähig“ und „vom größten Fleiße“ bezeichnet. Seine Sitten waren „Probatissimi“ (= die vortrefflichsten) und bei der Abschlussprüfung war er an dieser Schule „inter optimos quintus“, d. h. der Fünfte unter den Besten!

aus Dr. Scharnagl nach Walter Meinhard:

  • "sein musikalisches Gesamtschaffen umfaßt: 13 Opern, Ein-lagen in fremde Opern, Schauspielmusiken, Oratorien, Kanta-ten, dazu kleinere Vokalwerke, Studienfugen mit Erläuterungen zum Fugenbau, Canzonetten, Duette und Lieder, Instrumentalmusik, Kirchenmusik sowie mu-siktheoretische Schriften."

aus Deutsche Biographie: Link

  • Johann Nepomuk, einem von Kaiser Leopold I. 1697 in den Freiherrnstand erhobenen alten baierischen Adelsgeschlechte entstammend, wurde auf dem Familiengut zu Haunkenzell im baierischen Walde am 15. Februar 1783 geboren und starb in München 1865. Er war k. baier. Kammerherr, von 1824 bis 1833 Hoftheaterintendant und weiter bis 1848 auch Hofmusikintendant (interimistisch zwischen dem Frhr. v. Fraiss und dem Grafen Pocci, dann nochmals Intendant), Comthur und Capitularherr des St. Georgsordens und Comthur des großherzoglich hessischen Ludwigsordens. Poißl hatte im elterlichen Hause eine sorgfältige Erziehung und nachher auf der Landshuter Universität seine wissenschaftliche Ausbildung genossen. Zu jener Zeit wurde in Landshut viel Musik getrieben und so erhielt denn auch die Neigung für diese Kunst in dem für sie besonders talentierten jungen Manne, der jetzt schon als ein guter und geschmackvoller Sänger sich bewährte, wünschenswerthe Nahrung und Anregung. In das väterliche Haus zurückgekehrt, betrieb er seine musikalischen Studien eifrigst weiter und siedelte 1806 nach München über.
  • Poißl war zweimal verheirathet; sieben Kinder gingen ihm im Tode voran. Einer seiner Söhne trat mit geringem Erfolge als Sänger auf.

Weil dieser Chor durchaus in unserer Zeit als Festchor - vielleicht mit gewissen Textanpassungen - gut singbar ist, hier diese Musik aufbereitet im innovativen LIEDER-Projekt-Modus:

Das Notenblatt, allerdings mal in alten Schlüsseln: Link

Und hier in neuen Schlüsseln: Link

Der Gesamtklang, instrumentiert in Oboe 1 und 2, English Horn und Bassoon sowie hervorgehobenen Einzelstimmen:

 


S:  A:


T:  B:

auf Stippvisite in Haunkenzell, 3. März 2021:

Wasserschloss   Gedenktafel   Kirche

Fotos: Karl Penzkofer